Eine Antwort auf Lars Reineke

Der nachfolgende Kommentar sollte eigentlich direkt an den Blogpost von Lars Reineke zum Thema „Kinderfeindliche CeBit“ angehängt werden. Da der Autor momentan keine Kommentare zulässt, nun also hier meine Antwort auf den Beitrag:

Don’t twitter when you’re bitter! Dieser Spruch sollte wohl auch für Blogs dienen. Meinem Eindruck nach wird in diesem Blogbeitrag dem Ärger über enttäuschte Erwartungen Luft gemacht. Und das leider auf eine Art und Weise, die sehr emotional und wenig sachlich ist. Das zeigen der Bezug auf „Nazi-Deutschland“ und auch der Umgang mit kritischen Kommentaren.

Ich habe diesen Blogbeitrag gestern Abend nach meinem eigenen CeBit-Besuch gelesen und mir ist an einigen Stellen die Hutschnur hochgegangen. Aber ich konnte meinem ersten Impuls zu antworten widerstehen und eine Nacht drüber schlafen. Deshalb fällt meine Antwort heute anders aus als sie es gestern vermutlich getan hätte:

Meiner Meinung nach kann die CeBit nicht als Beispiel für Kinderfeindlichkeit in Deutschland herhalten. Bestenfalls als Beispiel für mangelndes Einfühlungs- und Kommunikationsverhalten.

Ich habe während meiner Studienzeit und darüber hinaus mehr als sieben Jahre im Sicherheitsdienst von Werder Bremen gearbeitet. Aus den Erfahrungen heraus vermute ich, dass es nicht zum Sicherheitskonzept passt, in vollen Messehallen neben den vielen Besuchern auch noch Kinderwagen zuzulassen. Wenn das generell erlaubt wäre, haben wir schnell mal 10 oder 20 Kinderwagen in einer Halle. Und lass dann mal etwas passieren und eine Panik entstehen. Die Folgen können wir uns ja vielleicht denken. Dann ist hinterher die Kritik umso größer, wie man denn überhaupt Kleinkinder auf so einer Messe zulassen könnte.

Wie gesagt, ich vermute das, wissen tue ich es nicht. Aber ich gehe davon aus, dass die Messebetreiber gute Gründe für ihre Regeln gegen Kinder auf der CeBit haben. Im besten Fall hätte die Messe diese Gründe klar nachvollziehbar an prominenter Stelle erklärt – und vor allem auch den Mitarbeitern, die im direkten Kundenkontakt stehen, deutlich gemacht. Dann wäre die Kommunikation vielleicht reibungsloser gelaufen und es hätte sich gar nicht erst solch ein Unmut breit gemacht.

Nur war es aber anders: Die Regeln standen schlichtweg auf den Eintrittskarten, wo sie offensichtlich leicht überlesen werden konnten oder den Anschein erweckten, man könne es ja trotzdem versuchen. Die Mitarbeiter am Einlass haben aber keinen großen Handlungsspielraum und können sich nur auf die Regeln berufen.

Ich möchte das Verhalten der CeBit-Mitarbeiter nicht entschuldigen – das ist nicht meine Aufgabe. Ich möchte aber, dass auch deren Position bedacht wird. In meiner Zeit bei Werder war ich öfters der Buhmann, weil ich die Regeln, die die Stadionordnung und das Sicherheitskonzept erforderten, im direkten Fan-Kontakt umsetzen musste. Das war sicher auch nicht in jedem Fall leicht nachzuvollziehen. Aber ich hätte nicht die Verantwortung übernehmen wollen für den Fall, dass durch Nichtbeachtung der Regeln Menschen zu Schaden kommen.

So, das soll jetzt aber auch reichen. Ich hoffe, dein Ärger von gestern ist inzwischen etwas verflogen und du kannst dir mit deiner Familie einen entspannten Sonntag machen.

Und ja, mir ist klar, dass es in Deutschland etliche Baustellen gibt, um etwas für mehr Kinderfreundlichkeit zu tun. Die CeBit gehört aber, meiner Meinung nach, nicht dazu.

Autor: carolinhinz

Ich bin Carolin, Kommunikatorin und Reisebloggerin mit derzeitiger Heimatbasis in Bremen.

3 Kommentare

  1. Dann mal zum nachdenken.
    1. Alles, was für Kinderwagen in vollen Messehallen gilt, gilt auch für Rollstuhlfahrer. Sollen die auch draußen bleiben wegen des Sicherheitsrisikos? Blinde auch? Klapprige Alte über 80? IT-Consultants mit gebrochenem Bein?

    2. Was für volle Messehallen gilt, gilt auch für andere Veranstaltungen, z.B. Zirkus. Sollen da Kinder auch nicht mehr reindürfen? Wenn da eine Panik entstünde…

    3. Kinderwagen sind bei weitem nicht das einzige Babytransportmittel. Gerade wenn viele Leute unterwegs sind, eignen sich Tragetuch oder Kraxe weitaus besser. Wo bleibt da das Sicherheitsargument? (Wenn jetzt als Sicherheitsargument kommt „aber wenn so ein Baby im Tragetuch einen Ellenbogen in die Seite kriegt…“ müssen wir Schwangeren den Besuch der Cebit leider auch verbieten)

    Grundsätzlich: Dass auf Großveranstaltungen manchmal Menschen zu Schaden kommen, wird man nicht verhindern können. Man kann dagegen Maßnahmen ergreifen – sinnvolle Wegegestaltung, Rettungswege usw. – aber man überlasse es doch bitte allen Menschen selbst, für sich und ihre Kinder zu entscheiden, ob sie diese Risiken in dem Fall eingehen wollen oder nicht. Ich würd meine Kinder nicht auf eine Demo mitnehmen, wo die Polizei schon mit Helm und Schild gegen gewaltbereite Demonstranten angerückt ist. Auf eine Demo, die aller Voraussicht nach friedlich abläuft und deren Thema die Zukunft eben jener Kinder tangiert, hingegen schon.

    Dito Cebit. Mit einem Dreijährigen, dem man die ganze Zeit im Gewühl hinterherlaufen muss, tu ich mir keine Cebit an. Mit einem Säugling, der so ca. alle zwei Stunden gestillt werden muss, aber ansonsten friedlich im Tragetuch oder Kinderwagen schläft, würd ich da aber schon gerne hingehen (bzw. war ich auch schon auf Messen, die keine so blödsinnigen Regeln hatten).

    • Das sind sicher Punkte über die man nachdenken kann, die aber nicht Aspekte meines Beitrages waren. Da ich weder Kinder habe, noch im Rollstuhl sitze, noch sonstwie benachteiligt bin, habe ich mich bewusst auf meine Kernkompetenzen beschränkt: auf eine Einschätzung der Kommunikation zwischen Herrn Reineke und der Messe sowie auf meine Erfahrungen aus dem Sicherheitsgewerbe.

      Die Messegesellschaft hat inzwischen selbst auf die Kritik von Lars Reineke reagiert und ihre Gründe für den Ausschluss von Kindern dargelegt. Das entsprechende Schreiben kann hier nachgelesen werden.

      Diskussionen über die Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen werden derzeit an mehreren Stellen im Netz geführt. Ich möchte an dieser Stelle auf den Beitrag von Das Nuf verweisen, den du auch schon kommentiert hast. Dort ist die Diskussion meiner Meinung nach sehr gut aufgehoben. Ich kann zumindest zum jetzigen Zeitpunkt aus den genannten Gründen nichts Relevantes zu ihr beitragen.

  2. Da die Diskussion zu dem Thema abgeflaut ist und ich inzwischen von Spam-Kommentaren überschwemmt werde, schalte ich die Kommentarfunktion nun ab. Falls doch noch jemand seine Meinung zu dem Thema loswerden möchte, bin ich über die angegebenen Kontaktdaten erreichbar und auch gern bereit, neue Kommentare zuzulassen.